Mobiles Arbeiten - Telearbeit - Home-Office

1. Einleitung

Seit einigen Jahren ist in Bereichen der Arbeitswelt ein Trend zu dezentralen Arbeitsorten festzustellen.

Im Rahmen der Corona Pandemie hat dieses Thema nun eine breitere Öffentlichkeit erreicht und ist für viele Arbeitnehmer plötzlich zur Realität geworden. Einige Arbeitnehmer haben schon lange den Wunsch gehabt, zumindest zeitweise, „von zu Hause“ zu arbeiten und nun haben sie (oft ohne Vorlaufzeit) die Möglichkeit erhalten, erste Erfahrungen mit dieser Form der Arbeitsgestaltung zu sammeln. Zahlreiche Arbeitgeber, die vor Corona dem dezentralen Arbeiten gegenüber sehr negativ eingestellt waren, mussten um die Gesundheit ihrer Mitarbeiter zu schützen und/oder um den Geschäftsbetrieb aufrecht zu erhalten, nun zumindest zeitweise den Weg zu dieser Arbeitsform begehen. Dabei haben viele Verantwortliche in den Unternehmen festgestellt, dass diese Form der Arbeitsgestaltung gar nicht die schlechteste Variante zu sein scheint ...

 

Allerdings wird dieses Thema oftmals sehr „blauäugig“ angegangen, was zu zahlreichen Problemen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer führen kann. Auch in der Öffentlichkeit wird oftmals nur sehr oberflächlich über dieses Thema berichtet oder diskutiert. Oftmals werden nur einzelne Aspekte aus diesem Thema herausgenommen und in großer Breite dargestellt. Meist handelt es sich hierbei um Darstellungen des Themas mit einer einseitigen Ausrichtung, entweder der positiven (z. B. „kann auch Privates zwischendurch erledigen“) oder der negativen (z. B. „Lautstärke der Nachbarn nervt“).

 

Derzeit mehren sich jedoch die Berichte über Unternehmen, die auch nach der Corona Pandemie den Anteil der dezentralen Arbeitsplätze massiv ausbauen wollen oder zumindest den Mitarbeitern entsprechende Wahlmöglichkeiten anbieten wollen. Dieser Ansatz ist aus Sicht der Unternehmen sicherlich auch im Hinblick auf den Fachkräftemangel und die drohende Gefahr weiterer Pandemien, nicht nur ein sinnvoller Gedanke, sondern oft auch ein Gedanke der die Entwicklung und den Fortbestand des Unternehmens stark beeinflussen kann.

 

In unserer Tätigkeit als Berater für Betriebsräte, Fachanwälte und Partner der HR-Bereiche bei Mitarbeiter-schulungen und der Planung und Einführung von betrieblichem Gesundheitsmanagement in den Unter-nehmen, wird dieser Themenkomplex immer häufiger angesprochen und wir werden oft nach unserer Einschätzung der Vor- und Nachteile gefragt.

 

Daher erscheint es uns sinnvoll, dieses Thema einmal breiter zu betrachten, um klar zu machen, welche weitreichenden Folgen eine Veränderung des Arbeitsmodels für die Mitarbeiter, das Unternehmen aber auch die Umwelt und Volkswirtschaft haben kann.

 

Wir wollen den Entscheidungsträgern in der Geschäftsführung, den HR-Bereichen und ganz besonders den Mitarbeitern und Betriebs-räten mit diesem ersten Überblick zum Thema wichtige Anregungen für die Diskussion und Planung in den Gremien zu diesem Thema geben.

 

 

2. Definition der Begriffe

Home-Office - im rechtlichen Kontext wird diese Art der dezentralen Arbeit oft als Telearbeit bezeichnet.

Nach § 2 Abs. 7 ArbStättV heißt es hierzu:

 

„Telearbeitsplätze sind vom Arbeitgeber fest eingerichtete Bildschirmarbeitsplätze im Privatbereich der Beschäftigten, für die der Arbeitgeber eine mit den Beschäftigten vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit und die Dauer der Einrichtung festgelegt hat. Ein Tele-arbeitsplatz ist vom Arbeitgeber erst dann eingerichtet, wenn Arbeitgeber und Beschäftigte die Bedingungen der Telearbeit arbeits-vertraglich oder im Rahmen einer

Vereinbarung festgelegt haben und die benötigte Ausstattung des Telearbeitsplatzes mit Mobiliar, Arbeits-mitteln einschließlich der Kommunikationseinrichtungen durch den Arbeitgeber oder eine von ihm beauftragte Person im Privatbereich des Beschäftigten bereitgestellt und installiert ist. Sie sind mit der Betriebsstätte des Arbeitgebers über Informations- und Kommunikationseinrichtungen verbunden.“

 

Telearbeit bezeichnet somit Arbeitsformen, bei denen Beschäftigte jedenfalls einen Teil ihrer Arbeit mithilfe eines vom Arbeitgeber fest eingerichteten Bildschirmarbeitsplatzes außerhalb des Betriebes erbringen. Ein vom Mitarbeiter eingerichteter Bildschirmarbeits-platz entspricht somit nicht den Vorgaben für einen Telearbeitsplatz!

Dieses ist auch in Bezug auf die rechtlichen Konsequenzen hinsichtlich Arbeitsschutzrichtlinien und evtl. Verantwortlichkeiten im Schadensfall (Arbeitsunfall?) ein sehr wichtiger Punkt.

 

Bei der Telearbeit wird weiterhin zwischen zwei Formen unterschieden:

 

1. Teleheimarbeit (Arbeitsplatz permanent im Privatbereich des Mitarbeiters)

2. Alternierende Telearbeit (Arbeitsplatz im Wechsel zwischen dem - fest installierten - Arbeitsplatz in der Betriebstätte und dem eingerichteten Arbeitsplatz in der privaten Wohnung)

 

Mobiles Arbeiten ist bisher nicht eindeutig rechtlich definiert. Insbesondere in der Corona Pandemie gerne angewandt. Fälschlicher-weise jedoch oft von den Mitarbeitern als Home-Office bezeichnet, obwohl die Grundlagen für Home-Office/Telearbeit nicht umfänglich vorliegen.

 

Die Basis für mobiles Arbeiten liegt wie bei der Telearbeit auf einer Verbindung zum Betrieb per Informations- und Kommunikations-technik. Allerdings zeichnet sich die Arbeitsform der Mobilen Arbeit überwiegend dadurch aus, dass sie weder an das Büro, noch an den häuslichen Arbeitsplatz gebunden ist. Es kann von beliebigen anderen Orten über das mobile Netz gearbeitet werden. Der Arbeitsplatz ist nicht fest vom Arbeitgeber in den Wohnräumen des Mitarbeiters installiert worden. Mobiles Arbeiten ist zwar weder gesetzlich noch in einer Verordnung ausdrücklich geregelt, allerdings spricht dies nicht gegen eine generelle Zulässigkeit von Mobilem Arbeiten.

 

 

3. Rechtliche Situation

Derzeit wird in vielen politischen und gesellschaftlichen Gremien über ein vom Staat festgeschriebenes Grundrecht auf Telearbeit/ Mobile Arbeit diskutiert. Bisher sind diese Arbeitsformen nur auf freiwilliger Basis vereinbar. Der Arbeitnehmer kann zwar mit dem Wunsch auf eine geänderte Arbeitsform an den Arbeitgeber herantreten, der Arbeitgeber kann derzeit diesen Wunsch jedoch ohne eine weitere Begründung ablehnen. Allerdings leiden immer mehr Arbeitgeber unter den Folgen des Fachkräftemangels und sind daher öfter bereit in dieser Frage Kompromisse einzugehen, um Fachkräfte zu halten, bzw. neue Mitarbeiter zu finden. Zusätzlich scheiden viele Berufe für diese Arbeitsformen aus.

Wenn die Tätigkeit an fest installierten Maschinen, am Fließband oder an ortsgebundenen Plätzen (z. B. Lagerhaus, Krankenhaus, usw.) ausgeführt wird, ist eine Umstellung auf Home-Office/Mobiles Arbeiten meist kaum möglich. Meist sind diese Arbeitsformen bei Büro-tätigkeiten und fast nie im gewerblichen Bereich anzutreffen.

Natürlich sind bei der Veränderung der Arbeitsform auch viele Gesetze, Verordnungen und Regeln zu beachten. Hier nur ein kleiner Überblick:

  • Grundsätzlich gelten auch bei der Telearbeit/Home Office und der Mobilen Arbeit überwiegend die gesetzlichen Anforderungen und Regeln wie im Betrieb.
  • Auch bei Telearbeit und Mobilem Arbeiten gilt für den Arbeitgeber eine Fürsorgepflicht und Verantwortung für die Sicherheit und die Gesundheit seiner Beschäftigten.
  • Das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) findet auch bei Telearbeit und Mobilem Arbeiten uneingeschränkt Anwendung.
  • Gemäß §§ 3, 4 ArbSchG in Verbindung mit der allgemeinen Pflicht zur gefahrfreien Gestaltung des Arbeitsplatzes nach § 618 BGB bestehen für den Arbeitgeber bei Telearbeit, aber auch im Rahmen von Mobilem Arbeiten Schutzpflichten gegenüber seinen Beschäftigten.
  • Der Arbeitgeber hat die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen § 3 Abs. 1 ArbSchG.
  • Er hat die Arbeit insbesondere so zu gestalten, dass eine Gefährdung für Leben und Gesundheit möglichst vermieden und die verbleibende Gefährdung möglichst geringgehalten wird, § 4 Nr. 1 ArbSchG.
  • Gemäß § 5 ArbSchG hat der Arbeitgeber durch eine Beurteilung der für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdung zu ermitteln, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich sind; dies hat er nach § 6 ArbSchG zu dokumentieren.
  • Die Beschäftigten sind gemäß § 15 Abs. 1 ArbSchG verpflichtet, nach ihren Möglichkeiten sowie gemäß der Unterweisung und Weisung des Arbeitgebers für ihre Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit Sorge zu tragen.
  • Für Telearbeitsplätze im Sinne des § 2 Abs. 7 ArbStättV gilt, zusätzlich die Arbeitsstättenverordnung. Diese dient der Sicherheit und dem Schutz der Gesundheit der Beschäftigten beim Einrichten und Betreiben von Arbeitsstätten, § 1 ArbStättV und konkretisiert das Arbeitsschutzgesetz. 13 Die bis zum 2. Dezember 2016 geltende Bildschirmarbeitsverordnung wurde in die neugefasste Arbeitsstättenverordnung integriert.

Praktisch bedeutet dies, dass im Falle von Telearbeit der Arbeitgeber vor erstmaliger Einrichtung des häuslichen Arbeitsplatzes eine Gefährdungsbeurteilung erstellen muss. An die erforderlichen Informationen kann er entweder über eine Besichtigung des häuslichen Arbeitsplatzes, wenn der Arbeitnehmer zustimmt, oder über konkrete Erfragung der häuslichen Umstände beim Beschäftigten gelangen.

Die Beschäftigten trifft eine Pflicht zum Eigenschutz nach § 15 Abs. 1 Satz 1 ArbSchG und eine Mitwirkungs-pflicht nach § 16 Abs. 2 Satz 1 ArbSchG, sodass sie verpflichtet sind, die benötigten Informationen an den Arbeitgeber weiterzugeben.

Auf Basis dieser Informationen hat der Arbeitgeber die erforderlichen Schutzmaßnahmen zu treffen.

  • Der entscheidende Unterschied zwischen Telearbeit und Mobiler Arbeit ist hierbei die Tatsache, dass Mobiles Arbeiten nicht der Arbeitsstättenverordnung unterliegt.
  • Da hier die Arbeit ohne Bindung an einen fest eingerichteten Arbeitsplatz außerhalb des Betriebes erfolgt und auch nicht an sonstigen Arbeitsstätten, wie sie § 2 Abs. 2 und Abs. 3 ArbStättV auflisten, stattfindet, handelt es sich bei dem Mobilen Arbeiten nicht um Telearbeit im Sinne der ArbStättV. Hierdurch ist der Arbeitgeber an weniger Regeln gebunden, was ihn jedoch nicht von der Einhaltung der Regeln des Arbeitsschutzgesetzes entbindet.
  • Insbesondere § 3 Abs. 1 ArbSchG fordert den Arbeitgeber dazu auf, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen.
  • Die Beschäftigten trifft hier daher eine erhöhte Verantwortung nach § 15 Abs. 1 ArbSchG, selbst auf die Einhaltung der Arbeits- und Gesundheitsvorschriften zu achten.
  • Allerdings ist der Arbeitgeber verpflichtet seine Arbeitnehmer über den eigenverantwortlichen Umgang mit Risiken hinreichend zu informieren und diesbezüglich zu befähigen.

In der Praxis haben sich die folgenden Vorgehensweisen durch den Arbeitgeber bewährt:

  • Die Bereitstellung mobiler, ergonomisch gestalteter, sicherer Arbeitsgeräte durch den Arbeitgeber, die eine Gefährdung der Gesundheit möglichst reduzieren. Hierzu zählen z. B. die Ausstattung von Notebooks mit einem zusätzlichen Bildschirm und einer externen Tastatur.
  • Die Verpflichtung der Arbeitnehmer, die erteilten Weisungen zu befolgen und bislang nicht erkannte Gefährdungsquellen unverzüglich mitzuteilen (vgl. §§ 15, 16 ArbSchG).
  • Die regelmäßige Unterrichtung und Unterweisung der Arbeitnehmer gemäß § 12 ArbSchG über mögliche Gefährdungspotenziale und die einzuhaltenden Schutzmaßnahmen.
  • Ein Verbot der Arbeitsleistung unter für den Arbeitnehmer erkennbar gesundheitsgefährdenden Umständen.
  • Betriebliches Gesundheitsmanagement Konzept einrichten, bzw. auch die externen Arbeitsformen mit einbeziehen.
  • Für beide Arbeitsformen gelten weiterhin die Regeln der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV). Hiernach ist der Arbeitgeber angehalten, dem Arbeitnehmer vor Aufnahme der Tätigkeit Angebote zur arbeitsmedizinischen Vorsorge zu machen. Nach Teil 4 des Anhangs zur ArbMedVV enthält die Angebotsvorsorge bei Bildschirmarbeit das Angebot auf eine angemessene Untersuchung der Augen und des Sehvermögens. Erweist sich auf Grund der Angebotsvorsorge eine augenärztliche Untersuchung als erforderlich, so ist diese durch den Arbeitgeber zu ermöglichen.
  • Die Attraktivität von Telearbeit und Mobilem Arbeiten liegt für viele Arbeitnehmer unter anderem in der Flexibilisierung der Arbeitszeit begründet. Hierbei ist jedoch unbedingt zu beachten, dass das Arbeits-zeitgesetz (ArbZG) bei beiden Arbeitsformen vollumfänglich zur Anwendung gelangt.
  • Auch ist der Arbeitgeber nicht von der Verpflichtung befreit, die über die werktägliche Arbeitszeit des § 3 Satz 1 ArbZG hinausgehende Arbeitszeit der Arbeitnehmer aufzuzeichnen und ein Verzeichnis der Arbeitnehmer zu führen, die in eine Verlängerung der Arbeitszeit gemäß § 7 Abs. 7 ArbZG eingewilligt haben. Diese Nachweise sind auch bei diesen Arbeitsformen mindestens zwei Jahre aufzubewahren. Da die Überwachung zur Einhaltung der Regeln zur Arbeitszeit im Home Office/ am Mobilem Standort durch den Arbeitgeber häufig unmöglich ist, dürfte es zulässig sein, die Aufzeichnungspflicht zu delegieren und den Arbeitnehmer zur Eigenaufzeichnung über den Umfang und die Lage der täglichen Arbeitszeit sowie dazu zu verpflichten, die Aufzeichnungen auf Verlangen der Aufsichtsbehörde vorzulegen.
  • Besonders kritisch ist die Einhaltung der ununterbrochenen Ruhezeit von mindestens elf Stunden nach § 5 Abs. 1 ArbZG. Dabei gilt allgemein als Ruhezeit der Zeitraum zwischen dem Ende der Arbeitszeit und dem Beginn der nächsten Arbeitszeit. Der Arbeitnehmer darf während dieser Ruhezeit zu keiner Arbeitsleistung herangezogen werden. Dies gilt auch für die Arbeit zu Hause. Hier empfiehlt sich unbedingt eine Unterrichtung und Sensibilisierung zur Eigenverantwortlichkeit gegenüber dem Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber.
  • Wenn Telearbeit oder Mobiles Arbeiten als abhängige Beschäftigung ausgeübt werden, besteht der allgemeine Schutz der Beschäftigten über die gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Abs. 1 Nr. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII).32 Der Schutz bezieht sich auf Arbeitsunfälleund Berufskrankheiten,    § 7 Abs. 1 SGB VII. Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit. Allerdings ist bei diesen Arbeitsformen die Abgrenzung der tatsächlich für die Tätigkeit notwendigen Handlungen und der privaten Handlungen sehr schwierig.
  • Gemäß § 8 Abs. 2 SGB VII besteht auch bei Wegeunfällen grundsätzlich Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts beginnt der Weg zur oder von der Arbeit erst mit dem Durchschreiten der Außenhaustür des Hauses, in dem die Wohnung liegt. In einer Entscheidung zum Bestehen von Unfallschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung kam das Bundessozialgericht (BSG) im konkreten Fall für einen Sturz im eigenen Haus auf dem Weg zum Wasserholen vom Telearbeitsplatz zur Küche zu dem Ergebnis, dass ein Betriebsweg im Sinne des § 8 Abs. 1 SGB VII ausscheidet, wenn bei einer häuslichen Arbeitsstätte (Home-Office) ein Weg innerhalb des Wohngebäudes zurückgelegt wird, um einer eigenwirtschaftlichen Tätigkeit (hier: Trinken) nachzugehen. Für die mit dem Wohnraum einhergehenden Gefahren sei der Versicherte selbst verantwortlich. Bei diesem Thema ist dringend ein Überdenken der bisherigen Auslegung angeraten, evtl. sind neue Versicherungsformen für diese Risiken nötig (evtl. auch als Sozialleistung durch den Arbeitgeber).
  • Auch der Datenschutz ist ein wichtiges Thema. Insbesondere der Schutz personenbezogener Daten und die Sicherung betrieblicher Daten vor dem unberechtigten Zugriff Dritter ist nicht nur bei der Datenübertragung, sondern auch bei der „Verwahrung“ im Hause des Mitarbeiters zu beachten.
  • Auch die Haftung des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber erscheint in besonderem Licht. Grundsätzlich haften Arbeitnehmer für jeden Schaden, den sie dem Arbeitgeber durch schuldhafte Verletzung ihrer arbeitsvertraglichen Pflichten zufügen. Allerdings ist im Arbeitsrecht seit langem anerkannt, dass eine volle Haftung der Arbeitnehmer insbesondere für fahrlässig verursachte Schäden im Rahmen einer betrieblich veranlassten Tätigkeit unangemessen wäre. Bei Telearbeit und Mobilem Arbeiten besteht jedoch ein erhöhtes Risiko für eine Schadensverursachung durch Dritte. Steht der von Dritten verursachte Schaden in Zusammenhang mit Telearbeit oder Mobilem Arbeiten, könnte eine Haftungsbegrenzung nach den Prinzipien des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter ein-greifen, wenn es sich bei den Dritten um Familienmitglieder oder Mitbewohner handelt. Ob dies auch bei externen Besuchern greifen würde, ist allerdings fraglich.
  • Die Mitwirkung und Mitbestimmung des Betriebsrates nach dem Betriebsverfassungsgesetz im Hinblick auf Telearbeit und Mobiles Arbeiten muss weiterhin beachtet werden. Auch wenn die Beschäftigten bei Telearbeit und Mobilem Arbeiten räumlich außerhalb der betrieblichen Arbeitsstätte tätig sind, sind sie gleichwohl als betriebszugehörig anzusehen, soweit sie in die arbeitstechnische Organisation des Betriebes eingebunden sind. Die im Betriebsverfassungsgesetz vorgesehenen Beteiligungsrechte gelten insoweit uneingeschränkt. Im Hinblick auf den Arbeitsschutz hat der Betriebsrat verschiedene Rechte. So besteht nach § 80 Abs. 2 BetrVG ein Unterrichtungsanspruch im Hinblick auf die Durchführung der geltenden Gesetze, Verordnungen, Unfallverhütungsvorschriften, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen. Auch die üblichen Mittbestimmungsrechte greifen für diese Arbeitsplätze. Ein Wechsel von einem betrieblichen Arbeitsplatz in Telearbeit bzw. Mobiles Arbeiten und umgekehrt könnte als Versetzung im Sinne des § 95 BetrVG gesehen werden, womit der Betriebsrat zu beteiligen wäre.

 

4. Betriebswirtschaftliche/Volkswirtschaftliche Betrachtung

Meist wird hier in einer ersten Einschätzung nur das Thema der benötigten Bürofläche betrachtet. Allerdings sollten neben der möglichen Kostenreduktion durch geringeren Büroflächenbedarf auch die folgenden Punkte betrachtet werden:

  • Evtl. mehr Bedarf für Meetingräume
  • Anpassung der Flächen für Sozialräume (Pausenräume, Pantrys, Toiletten, Duschen, usw.)
  • Lohnt weiterhin der Betrieb von Kantinen (Verträge mit Dienstleistern)?
  • Müssen Speisepläne in Kantinen durch eine Verschiebung der Personalstruktur verändert werden (Anteil gewerblicher/Büro Jobs verschiebt sich, Schichtpläne haben höhere Auswirkungen auf die Auslastung der Kantine, usw.)?
  • Können Kosten bei der Reinigung der verbleibenden Büroflächen reduziert werden?
  • Kann eine Betreuung aller User im Notfall durch den IT-Bereich gewährleistet werden (auch Betreuung im Home-Office?)?
  • Besuchsmöglichkeit des BR, Betriebsarzt, usw. weiter für alle Mitarbeiter möglich?
  • Muss der Ablauf beim Personalverkauf (Firmenprodukte an Mitarbeiter) geändert werden?
  • Welche Auswirkungen hat die geringere ständige Mitarbeiterstärke in den Büroräumen auf das Umfeld? Sind dadurch andere Betriebe bedroht (Anbieter von Mittagstisch, stationärer Einzelhandel, Servicebetriebe)? Wenn ja, welche Auswirkungen hat diese Entwicklung auf die Attraktivität des Firmenstandortes und somit auch auf die am Standort verbleibenden Mitarbeiter (z. B. der gewerbliche Teil)?
  • usw.

 

5. Vor und Nachteile für den Arbeitnehmer und Arbeitgeber

Viele Arbeitnehmer wünschen sich mehr Freizeit, ohne große Einbußen beim Gehalt befürchten zu müssen. Hier bringen beide genannten Arbeitsformen Vorteile, da ja die Anfahrt zur und von der Arbeit wegfällt. Hier können Arbeitnehmer schon einige Stunden in der Woche sparen, insbesondere wenn der Weg zur Arbeit mit täglichen Staus verbunden ist. Neben der Zeit spart der Arbeitnehmer hier natürlich auch Nerven ... und tut gutes für die Umwelt. Weniger Arbeitnehmer auf dem täglichen Weg zur Arbeit bedeutet auch weniger Abgase, weniger Straßenlärm, freiere Straßen und weniger Abnutzung der Infrastruktur. Allerdings müssen evtl. auch familiäre Abläufe geändert werden, z. B. die Kinder auf dem Weg zur Arbeit in die Kita oder die Schule zu bringen. Wenn bisher Schule und Kita extra so gewählt wurden, dass sie auf dem Arbeitsweg liegen, könnte dies jedoch auch zu Problemen führen. Auch das Umfeld der Wohnung sollte bedacht werden. Wenn z. B. mit der neuen Arbeitsform im Wohnhaus Lärm oder Kundenverkehr verbunden ist, muss im Vorwege der Vermieter um Zustimmung gebeten werden. Auch bei einer Eigentumswohnung müssen unter gewissen Umständen die Wohnungs-eigentümergemeinschaft und der Verwalter informiert werden. Je nach WEG Vereinbarung ist sogar eine Zustimmung erforderlich. Wenn sich weitere Bewohner während der Arbeitszeit in der Wohnung aufhalten, kommt es leicht zu Interessenskonflikten.

Der Arbeitnehmer benötigt z. B. Ruhe für die Arbeit oder die Tele-/Videokonferenz – das Kind möchte im Nachbarzimmer spielen, Musik hören oder mit der Trompete üben ...

Auch die Paketdienste oder Postboten merken schnell, welche Partien in einem Haus zur Annahme von Paketen zur Verfügung stehen und so kann es häufiger zu Störungen durch die Türklingel kommen. Auch der Nachbar merkt schnell, dass jemand zu Hause ist und meldet sich mit seinen Hilfegesuchen dann gern während der Arbeitszeit.

Hier ist eine klare Abgrenzung der Arbeitszeit zur Freizeit und zu den Pausen dringend anzuraten. Im Notfall hilft oft bereits das Abstellen der Klingel- aber dann kommen die eigenen Pakete auch nicht an ...

 

Jetzt noch ein paar Vor- und Nachteile dieser Arbeitsformen für den Arbeitnehmer:

 

Weitere Vorteile:

  • Keine störenden Kollegen
  • Einsparungen bei der „Berufskleidung“
  • Evtl. flexiblere Arbeitszeit möglich
  • Unabhängigkeit von Witterungsverhältnissen bei der Arbeitswegplanung
  • Höhere Eigenverantwortung und damit auch höhere Motivation
  • Geringere Ansteckungsgefahr im ÖVNP und durch Kollegen, z.B. in der Erkältungs- und Grippesaison
  • Meist höhere Produktivität
  • Kostenersparnis für Arbeitgeber und Arbeitnehmer
  • Oftmals Schnellere Rückkehr z. B. nach Mutterschutz und Elternzeit möglich
  • Steuervorteile für den Arbeitnehmer (z. B. Arbeitszimmer)
  • Miete, Heiz und Stromkosten können u. U. anteilig von der Steuer abgesetzt werden

Weitere Nachteile:

  • Soziale Isolation
  • Fehlende Informationen durch Austausch mit Kollegen (z. B. in der Pause)
  • Kein „Flurfunk“
  • Kein "kurz mal über die Schulter schauen" möglich
  • Abschalten zum Feierabend fällt schwerer
  • Gefahr der „ständigen Erreichbarkeit“ für Chef und Geschäftspartner
  • Probleme mit der Technik, Kollegen können nicht direkt helfen
  • Unentdecktes Unfall-/Krankheitsrisiko (keine Kollegen bemerken plötzlichen Zusammenbruch usw. - Defibrilator?!)
  • Dem Arbeitgeber fehlt die Möglichkeit der „in Augenscheinnahme“ der Arbeitsleistung durch Bürorundgänge
  • Feiertagsregeln im Unternehmen unterschiedlich (es gilt der Arbeitsort im Home-Office, wenn z. B. das Unternehmen in einem anderen Bundesland liegt).

 

6. Anpassungen für den HR-Bereich

Auch die Personalabteilung/HR wird durch neue Arbeitsformen wie mobiles Arbeiten oder Telearbeit vor neue Herausforderungen gestellt. Die Veränderungen betreffen nicht nur den Personalbereich/HR direkt (auch hier sind Mitarbeiter nicht mehr im Büro), sondern auch in den einzelnen Arbeitsbereichen. Da sich immer weniger Mitarbeiter täglich im Büro sehen, steigen Firmenveranstaltungen deutlich in der Wertigkeit. Im Extremfall sehen sich die Mitarbeiter nur noch auf Veranstaltungen des Arbeitgebers direkt. So müssen Schulungen, Seminare, Präsentationen und Firmenfeiern verstärkt unter dem Aspekt der Teambildung geplant werden. Die Prioritäten bei der Auswahl von Bewerbern um neue Jobssollten auch angepasst werden. Wenn alle Mitarbeiter von zu Hause arbeiten hat die klassische Teambildung im täglichen Umgang miteinander einen anderen Stellenwert, d. h. unter Umständen, dass Bewerber mit starkem Drang zum persönlichen Austausch mit Kollegen nicht unbedingt die richtige Wahl für einen Telearbeitsplatz sind. Auch die Auswahl der Bewerber in Bezug zum Arbeitsweg (Risiko bei langen Anfahrtswegen ins Büro) nimmt deutlich an Bedeutung ab. Aber auch viele weitere Punkte müssen bedacht werden:

  • Sind die angebotenen Sozialleistungen noch ein Argument für Bewerber? Fahrgeldzuschuss, Kantine, gratis Getränke, schöne Büroräume sind bei den neuen Arbeitsformen kein ausreichendes Argument für einen Jobwechsel.
  • Sind diese Sozialleistungen überhaupt noch sinnvoll? Sollten neue Sozialleistungen als Anreiz für die Mitarbeiter entwickelt werden? So können Prämien für eine bessere Ausstattung des Telearbeitsplatzes ausgeschrieben werden, oder Kooperationen im Internet (z. B. Rabattaktionen im Einkauf von diversen Dingen) können zukünftig Mitarbeiter binden,
  • Arbeitszeitmodelle müssen der neuen Situation angepasst werden
  • Beurteilungssysteme müssen angepasst werden.

 

7. Veränderung der Umwelt

Wenn ein wesentlicher Teil der Arbeitnehmer nicht mehr täglich in das Büro pendelt, werden/müssen sich auch viele Dinge in der Umwelt/Umgebung verändern. Eine möglich positive Auswirkung auf das Klima wurde hier bereits genannt, aber auch ein nötiger Umbau der Infrastruktur führt zu vielen Veränderungen. Wenn der ÖPNV zu Zeiten des Berufsverkehrs nicht mehr so ausgelastet ist, werden die Einnahmen sinken.

Dieses wird sicherlich zu einer Ausdünnung der Leistungen des ÖPNV führen. Sowerden weniger Bahnen, Busse und Mitarbeiter in diesem Bereich benötigt und Fahrgäste müssen dann bei geänderten Taktzeiten evtl. länger auf ein Verkehrsmittel warten. Vermutlich werden zumindest einige Menschen dann auch auf zumindest den zweiten PKW in der Familie verzichten- mit Auswirkungen auf den Verkauf und die Produktion von Fahrzeugen. Auch hier könnte es dann zu einem schnelleren Abbau von Arbeitsplätzen kommen.

Wenn weniger PKWs und Busse auf den Straßen sind, werden weniger breite Straßen benötigt. Es kann mehr Platz für Radfahrer usw. geschaffen werden. Allerdings wird auch der Staat weniger Einnahmen durch KFZ-Steuer, Kraftstoffsteuer und Einnahmen aus Verkehrskontrollen („Blitzer“) haben. Um die Kosten der Infrastruktur dann weiter einzuspielen, müssen vermutlich neue Steuern her (z. B. für Radfahrer, usw.).

Viele Menschen werden dann auch wieder in der Nähe der Wohnung einkaufen und nicht mehr auf dem Weg von/zum Büro. Dies fordert zu einem Umdenken in der Planung von neuen Stadteilen. Hier entsteht dann mehr Bedarf für Gewerbeflächen für Servicebetriebe und den Einzelhandel.

Die Stadteile werden durch die neuen Arbeitsformen gewinnen, nicht nur durch neue Kunden für den Einzelhandel, sondern auch durch die häufigere Anwesenheit der Bewohner. Hierdurch wird es auch ein höheres Sicherheitsempfinden der Bewohner geben, da z. B. ältere Bewohner nicht mehr den ganzen Tag fast alleine im Wohnblock anwesend sind.

Dies wird es Trickbetrügern an der Wohnungstür und den Einbrecherbanden schwerer machen tagsüber leerstehende Wohnungen und Häuser für die Begehung von Straftaten zu finden.

 

Insgesamt stehen wir somit durch neue Arbeitsformen nicht nur vor Veränderungen in Unternehmen, sondern auch die Planung und Gestaltung der Umwelt durch Staat und Gewerbe muss angepasst werden. Es werden hierdurch Jobs wegfallen und andere Arbeitsplätze an anderen Standorten entstehen. Da die Arbeitsplätze dann nicht mehr unbedingt in den großen Städten liegen, könnten mittelfristig auch Regionen auf dem Land davon profitieren. Die Landflucht könnte gestoppt werden und es könnte sogar wieder zu Wachstum in ländlicheren Regionen kommen. Allerdings ist es hierzu zwingend erforderlich, dass die ländlichen Regionen die nötige Infrastruktur erhalten. Gut ausgebaute Netze zur schnellen und sicheren Datenübertragung in das Home-Office sind zukünftig ein entscheidendes Kriterium zum Erhalt/Wachstum von Regionen.

 

Viele Chancen stehen bei der Veränderung der Arbeitsmodelle auch diversen Risiken gegenüber.

 

Unser Ziel ist es, Ihnen mit dieser Übersicht einige Aspekte näherzubringen und es Ihnen leichter zu machen, Punkte für eine firmeninterne Diskussion zu diesem Thema zu finden.

 

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